Coskun Tuna über Native Advertising: „Im Marketing sind die Verantwortlichen derzeit schneller als die PR“

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Die Aufmerksamkeit wird immer flüchtiger. Nicht nur Redaktionen ringen um die Nutzer, gerade die Werbetreibenden müssen sich überlegen, wie sie ihre Botschaften bei den Konsumenten platzieren. Native Advertising zählt zu den aufstrebenden Werbeformen und integriert sich nahezu nahtlos in redaktionelle Umfelder. Keine blinkenden und aufpoppenden Display-Ads sowie der hohe Kontext zwischen echtem Inhalt und Werbung bietet eine direkte Nähe zu den redaktionellen Inhalten. Der Leser soll sich intensiver mit der Werbebotschaft auseinander setzen und einen Mehrwert durch den Content erhalten. Erste Studien belegen, dass diese Advertorials im „Look and Feel“ einer Webseite für eine höhere Aufmerksamkeit und längere Verweildauer sorgen.

Was auf dem US-Markt bereits gang und gäbe ist, steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Doch die deutschen Werber und Publisher blicken gespannt auf Native Advertising, wie Coskun Tuna, Co-Founder und Geschäftsführer der Seeding Alliance GmbH in Köln, im Interview mit #DigiBuzz – Das Magazin für das Digital Business bestätigt. Tuna und sein Team der Seeding Alliance, zu deren Portfolio unter anderem das Performance Native Advertising Tool „nativendo“ und der Marktplatz für Content Marketing „rankseller“ zählen, gelten als deutsche Pioniere auf dem Online-Werbemarkt und bringen mit ihren Geschäftsmodellen die werbetreibenden Unternehmen mit Publishern und Bloggern an einen Tisch.

Herr Tuna, nach Real Time Bidding und Blogger Relations avanciert Native Advertising zum neuen Hype in der digitalen Wirtschaft. Was steckt eigentlich hinter dem Begriff?

Coskun Tuna: So oft, wie ich in den letzten Wochen bei Verlagen und Vermarktern Native Advertising vorstellen durfte, kann wahrlich von einem Hype gesprochen werden. Hier werden derzeit von allen relevanten Marktteilnehmern massiv Recherchen und Sondierungen vorgenommen. Publisher und Vermarkter sind in Aufruhr. Es wird viel diskutiert, was unter Native Advertising, auch Native Ads genannt, denn nun zu verstehen ist. Allerdings muss hier auch ehrlich gesagt werden, dass es sich bei Native Advertising nicht um ein neues Marketinginstrument handelt, sondern um einen alten Bekannten, der schon seit jeher Einsatz im Marketing findet. Das gute alte Advertorial. Bezahlte und als Anzeige gekennzeichnete Artikel in Print und Online Publikationen waren schon immer im Einsatz gewesen. Neu ist lediglich die technische Aussteuerung von Advertorials und den Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. Bisher war die manuell geprägte Integration von Advertorials eher umständlich, teuer und sehr zeitaufwendig, da Redaktion und Technik in Absprache mit Verkauf und Werbekunden ineinander greifen mussten. Die automatisierte und skalierte Aussteuerung über Native Advertising Server machen das Advertorial nun für alle Werbetreibenden bezahlbar. Es gibt bei Native Advertising aktuell noch keine offizielle Definition, aber meine persönliche Definition lautet: Native Advertising ist die technologisch automatisierte und skalierbare Integration von werblich gekennzeichneten Inhalten in themen- und zielgruppenrelevanten Publikationen, die individualisiert in Form, Funktion, Stil und Optik den Rezipienten erreicht, teilbar in sozialen Netzwerken ist und detailliertes Monitoring ermöglicht.   

Wie läuft das im Fall ihres Tools genau ab?

Coskun Tuna: Unser Tool nativendo integriert Advertorials wie von Zauberhand zielgruppen- und themenrelevant in Online-Publikationen. Dabei wird das werblich gekennzeichnete Advertorial im Erscheinungsbild inhaltlich und optisch der jeweiligen Publikation angepasst – ganz so, als sei es von der Redaktion selbst eingestellt. Die Anzeige wird on the fly eingebettet und ist als vollwertiger Artikel individualisiert in Social Networks teilbar. Wir ermöglichen es also mit einem Klick einen Artikel in so vielen Publikationen zu veröffentlichen, ohne, dass der Artikel tatsächlich in dem jeweiligen Medium wirklich abliegt. Zudem misst unser Tool in Echtzeit jegliche Aktionen des Advertorials. Das ermöglicht eine wunderbare Erfolgsauswertung und Optimierung der Kampagne noch während der Laufzeit. Über Duplicate Content braucht sich keiner der Beteiligten Sorgen machen, da Advertorials über ein Native Ads Tool nicht als indexierbarer Inhalt ausgestrahlt werden. Eine Besonderheit bei uns ist vor allem die Wahrung der redaktionellen Hoheit. Publisher können Kampagnen annehmen oder ablehnen. Sie können aber auch den Inhalt auf ihre Zielgruppe hin editieren. Das Ganze geht dann nochmal farblich markiert an den Werbetreibenden zurück, der das entweder annehmen oder ablehnen kann.

Coskun Tuna, Geschäftsführer der Seeding Alliance GmbH. Quelle: Seeding Alliance

Coskun Tuna, Geschäftsführer der Seeding Alliance GmbH. Quelle: Seeding Alliance

Welche fünf Schritte sind für den Einstieg in Native Advertising für die Werbetreibenden wichtig?

Coskun Tuna: Drei Schritte reichen vollkommen. Erstens: Native Advertising ist keine Display Werbung, die eher den Anspruch hat blinkend aufzufallen oder als Unterbrecherwerbung zu nerven. Das Ergebnis kennen wir aktuell mit sinkenden Klickraten und Bannerblindness. Hier muss also nochmal in Klausur gegangen werden. Es gilt nämlich inhaltlich zu punkten. Hier sind gute Stories gefragt, die den Rezipienten abholen. Zweitens sollte die richtige Native Advertising Technologie gewählt werden. Denn auch beim Aussteuern von Advertorials als Native Ads sind Geo-Targeting, Re-Targeting, RTB, Mobile und viele andere Schaltungsfeatures jetzt schon im Einsatz, die eine effiziente themen- und zielgruppenrelevante Ansprache ermöglichen. Und drittens, als eine Selbstverständlichkeit, müssen Auswertung und Optimierung erfolgen.

Wie sollten PR und Marketing daher zusammenarbeiten, um mit Native Advertising eine möglichst effiziente Ausbeute für das Unternehmen und die Kampagne zu erhalten?

Coskun Tuna: Im Marketing sind die Verantwortlichen derzeit schneller als die PR-Damen und -Herren. Seit wir mit dem Thema unterwegs sind, stoße ich immer noch auf Ablehnung und Unwissenheit in der PR-Branche. Sie haben nach wie vor noch das klassische Business vor Augen und können sich nicht vorstellen ihre PR-Meldung gezielt, vor allem automatisiert und hochskaliert in Online-Publikationen auszusenden. Es gilt hier fleißig die Message an Redaktionen zu senden und zu hoffen, dass sie Berücksichtigung findet. Im Native Advertising müssen sie in Absprache mit dem Marketing umzusetzen lernen, direkt den Rezipienten anzusprechen. Also keine Messages mehr für die Redaktion, sondern direkt an den Empfänger zu formulieren. Das Marketing hat dann den Job, die richtige Aussteuerung vorzunehmen.

Kommen wir zur Rolle der Blogger. Alle Welt spricht von dem Anreiz, die digitalen Influencer für werbetreibende Unternehmen einzuspannen. Aber fristen Blogs auf lange Sicht hin nicht doch die nüchterne Rolle von einer weiteren Contentdistributionsplattform?

Coskun Tuna: Ich habe schon 2007 mit der Vermarktung von Blogs angefangen. Erst wollten die Blogger kein Geld verdienen und die Werbetreibenden wussten nicht viel mit Blogs anzufangen. Dann fingen die ersten Blogger an die Hand zu öffnen und nahmen alles Mögliche an und die Werbetreibenden dachten sie können sich alles erlauben. Aktuell hat es sich allerdings gut eingependelt. 30 Prozent der Buchungsanfragen auf unserer Plattform rankseller werden von den Bloggern abgelehnt. Oftmals verschmähen sie attraktive dreistellige Buchungen, weil sie sich mit dem Thema, Brand oder dem Inhalt nicht anfreunden können. Die Werbetreibenden wiederum sind immer öfter bemüht die richtige Wortwahl zu treffen und interessante Topics aufzureißen, um Blogger für ihre Absichten zu gewinnen. Die Blogger wissen mittlerweile sehr wohl, wieviel sie wert sind und agieren wie kleine Verlage. Sie sind flexibel und wendig. Für sich allein gestellt, sind die meisten Blogs zwar schwer zu vermarkten, aber in Summe sind sie für Werbetreibende eine große Reichweite und individuelle Multiplikatoren. Da wir über nativendo auch in Blogs Native Advertising ermöglichen, werden auch die Blogger an diesem Hype partizipieren können, nicht nur die großen Verlage.

Mit welchen KPIs kann der Marketingverantwortliche die Effekte von Native Advertising möglichst einfach dem CEO erklären, ohne dabei das Nachsehen gegenüber Display Ads, Performance oder Suchmaschinenmarketing zu haben?

Coskun Tuna: Sinkende Klickraten im Display Marketing und höhere Klickraten im Native Advertising – noch Fragen? Nach einer Studie von Sharethrough, in Zusammenarbeit mit IPG Media Lab, hat Native Ads im Vergleich zu klassischem Display Ad bessere Ergebnisse. Nach der Studie sehen Konsumenten Native Ads um 52 Prozent häufiger an als Banner, und 25 Prozent der Nutzer sahen die Native Ads, was ein Viertel mehr war als die, die Bannerwerbung sahen (20 Prozent). Sie sahen damit Native Ads zu einem ungefähr gleichen Anteil wie redaktionellen Content (24 Prozent).
Banner wirken zudem in Mobile Devices nicht. Redaktioneller Content, sprich Advertorials, hingegen kann über alle Geräte konsumiert und geteilt werden. Suchmaschinenmarketing mit Google Adwords ist in meinen Augen nur halbes Native Advertising. Die Anzeigenflächen von Google lassen sich zwar optisch recht nah an die Publikation anlehnen, aber spätestens bei Klick geht eine Landingpage oder die extern beworbene Seite auf. Bei uns hingegen, öffnet sich das Advertorial in dem Medium, ganz so als sei es ein echter Artikel, den der Konsument dann entsprechend für sich verwertet, statt weg zu klicken. Den Leser freut es, den Publisher und den Werbetreibenden. Hier ist doch eine Menge, was für Native Advertising spricht. Es daher auszuprobieren sollte in naher Zukunft anstehen. Wer die ersten Erfahrungswerte sammelt ist anderen voraus.

Spielen die Standards aus dem IAB Native Advertising Playbook für den deutschen Markt eine Rolle?

Coskun Tuna: Wir selbst haben uns bei der Entwicklung und der strategischen Ausrichtung nicht nach dem Playbook der IAB gerichtet. Aber in Gesprächen mit Vermarktern und Publishern wird hierzulande doch oft darauf Bezug genommen. Als sehr wichtiger Punkt ist dabei immer Frage nach der deutlichen Kennzeichnung eines Advertorials als Anzeige immer ein Thema.

Welche Hürden hat Native Advertising hierzulande zu überwinden?

Coskun Tuna: In den vielen Werberköpfen sind bezahlte Inhalte noch als sehr teures Instrumentarium gespeichert, und dass eine Veröffentlichung immer fix in einem oder einigen wenigen Medien buchbar ist. Hier gilt es noch Aufklärungsarbeit zu leisten. Mit nur einem Klick zigfach in mehreren relevanten Medien die Message auszuliefern, und im Idealfall performancebasiert. Das wird noch eine Weile dauern, bis es bei allen drin ist. Bei den Publishern ist es recht einfach derzeit. Sie suchen nach weiteren Erlösmodellen, da die Bannereinnahmen sinken. Schwierig tun sich Journalisten mit Native Advertising. Ihnen geht es zweit, wenn die Industrie in den neuen Ausmaßen redaktionellen Zugang bekommen.

Geben Sie uns bitte zum Abschluss noch eine Prognose: Mit welchem Umsatzvolumen darf die gesamte Native Advertising Branche für 2014 in Deutschland rechnen?

Coskun Tuna: Diese Frage kann ich ehrlich gesagt noch nicht beantworten. Wir sind erst sehr wenige Tool-Anbieter auf dem deutschen Markt und unterscheiden uns an vielen Stellen technologisch und auch in den Abrechnungsmodalitäten. Die ersten Buchungen und Kampagnen laufen bereits, sind aber eher noch Versuche und Tests. In vielen Präsentationsgesprächen wird die dmexco als Kick-off Termin für die Ankündigung von Native Advertising als Marketinginstrument erwähnt. Daher dürfen wir auf die Messe und das nächste Jahr gespannt sein.

Herr Tuna, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch über den jungen Markt für Native Advertising.