Digitaler Wandel auf der gamescom: Konsolen, F2P und Abomodelle beherrschen die Spielebranche

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Dr. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des BIU, Ibrahim Mazzari, Leiter der Kompetenzgruppe Games im eco. (v.l.n.r.) Quelle: Uwe Klössing / BIU, Ibrahim Mazzari / privat

700 Aussteller aus 47 Ländern machen in dieser Woche die gamescom 2014 nicht nur zum Mittelpunkt der Gamer-Szene, sondern zum geballten Epizentrum der Spieleindustrie. „Spielend neue Welten entdecken“ lautet das Leitthema der Messe, und man könnte fast meinen, dass die Spielebranche lieber „spielend den digitalen Wandel gestalten“ möchte.

Wer früher als Spieler über kleine Karten wandelte, kann heute ganze Kontinente in der virtuellen Realität erobern. Der Detailreichtum bei den 3D-Grafiken und kinoreife Filme sorgen für ein hohes Maß an Unterhaltung. Die Branche erlebt einen Höhenflug, der sich nicht nur an den stattlichen 798 Millionen Euro Umsatz im ersten Halbjahr messen lässt.

Spielekonsolen befeuert den Umsatz

Insbesondere der Markt für Konsolenspiele steht laut einer Untersuchung von PricewaterhouseCoopers vor einem weiteren Wachstum. Zwar besitzen nur 28 Prozent der rund 1.300 Befragten keine Spielkonsole und sind auch nicht am Kauf einer solchen interessiert. Dafür plant mehr als die Hälfte der Spielekonsolenbesitzer (55 Prozent) sogar den Kauf einer neuen Konsole. Als Hauptargumente zählen eine gute Bedienbarkeit (93 Prozent), ein überzeugendes Preis-Leistungs-Verhältnis (92 Prozent) sowie eine große Auswahl an verfügbaren Spielen (92 Prozent). 63 Prozent der Befragten besitzen zudem eine Konsole ohne Onlineanbindung und 46 Prozent eine Konsole, die mit dem Internet verbunden ist. Rund 41 Prozent der Konsolenbesitzer nennen demnach mehr als eine Spielkonsole ihr Eigen.

Vor allem neue Spieletitel, für die Spielsüchtige derzeit mehrere Stunden Wartezeit auf der gamescom in Kauf nehmen, greifen die Käufer immer tiefer in die Tasche. 22 Prozent der Befragten haben in den letzten zwölf Monaten mehr Geld für Videospiele ausgegeben als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte gibt jährlich mehr als 70 Euro für Konsolenspiele aus. Die Zahlungsbereitschaft bei analogen Käufen überwiegt derzeit noch etwas höher als als bei digitalen Produkten. Und genau an diesem Verhältnis möchte die Spieleindustrie künftig etwas ändern.

Trend zu dynamischen und digitalen Geschäftsmodellen

Vorbei sind die guten alten Zeiten, in denen ein Spiel noch im Geschäft gekauft wurde und mit diesem einmaligen Kauf ein unbeschwinglicher Spielspaß gesichert war. Wer früher einen Spieletitel bezahlte, konnte sicher sein, dass neben notwendigen Updates keine weiteren Kosten erzeugt wurden. Anstelle der klassischen Produktion eines Spieletitels stehen laut einer Expertenumfrage des eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. und dem GAME Bundesverband der deutschen Games-Branche e.V. dynamische Geschäftsmodelle hoch im Kurs. 54 Prozent der Branchenkenner sind fest davon überzeugt, dass Free-to-Play (F2P) und Freemium-Modelle für stabilere und langfristigere Einnahmen sorgen werden. Rund 36 Prozent erachten diesen kostenlosen Zugang zu Spielen in einigen Fällen für sinnvoll, während nur knapp zehn Prozent diesem neuen Geschäftsmodell keine nennenswerte Zukunft attestieren. Darin sind sich wiederum BIU, GAME und eco offenbar einig – und überschlagen sich in den jüngsten Statements mit einem Schwall an positiver Stimmung.

Dr. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des BIU, Ibrahim Mazzari, Leiter der Kompetenzgruppe Games im eco. (v.l.n.r.) Quelle: Uwe Klössing / BIU, Ibrahim Mazzari / privat

Dr. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des BIU, Ibrahim Mazzari, Leiter der Kompetenzgruppe Games im eco. (v.l.n.r.) Quelle: Uwe Klössing / BIU, Ibrahim Mazzari / privat

„Für unsere Branche bedeutet das ein enormes Wachstumspotenzial. Für eine der Gesellschaft zuträgliche Entwicklung ist die Einbindung der Branche eine entscheidende Voraussetzung“, betonte BIU-Geschäftsführer Maximilian Schenk. Im gleichen Atemzug fordert der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e. V. (BIU) zur Eröffnung der alljährlichen Spiele, dass die Spielebranche als Dialogpartner in die politischen Prozesse zur Gestaltung des digitalen Wandels einbezogen werden müsse. Schließlich präge die Spielebranche die digitale Entwicklung und Vernetzung der Gesellschaft wie keine andere.

„Publisher stehen heute unter enormem Druck: Nicht alle Titel sorgen wie zuletzt etwa GTA 5 innerhalb von nur drei Tagen für Rekordeinnahmen von einer Milliarde US-Dollar. Um sich auf dem hart umkämpften Markt durchzusetzen, neue Spieler zu erreichen und kontinuierlich zu binden, ist der Weg über F2P oder auch Abomodelle eine vielversprechende Alternative“, betont Ibrahim Mazari, Leiter der Kompetenzgruppe Games im eco.

„Im Gegensatz zum einmaligen Verkauf von Spielen können diese beiden Varianten, zielgruppengerecht eingesetzt, eine engere Bindung der Gamer mit dem Produkt herstellen. Der digitale Charakter der Kundenbeziehung erlaubt auch die Entwicklung von neuem Content, der genau auf die Zielgruppe abgestellt ist und auch gegebenen falls mit ihr gemeinsam entwickelt werden kann. Darunter fallen Contents wie neue Charaktere, Level, Ausrüstungen oder Multiplayerkarten“, ergänzt Thorsten Unger, Geschäftsführer des GAME-Bundesverbandes.

„Ein Trend wird weiterhin das Thema „Free to Play“ sein. Vor allem, dass es inzwischen auf wirklich allen Plattformen angewandt wird und nicht mehr nur im mobilen Bereich. Das Prinzip hat sich inzwischen als neues Geschäftsmodell erfolgreich etabliert, weil es besonders einsteiger- und verbraucherfreundlich ist“, resümiert Lars Steffen, Business Development und Mitgliederentwicklung im eco.

Die Gamingbranche befindet sich also im Umbruch. Das digitale Momentum des allgegenwärtigen Internets und die immer höhere Bereitschaft der Gamer, jeden verfügbaren Euro in Spiele zu investieren, rückt „Free to Play“-Angebote und Abonnements definitiv in den Mittelpunkt der gamescom 2014. Ob das ein gesunder Umbruch ist, der die Spielerherzen erfreuen oder doch eher die Taschen der Publisher füllen soll, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.