Dorn im Auge: Das lästige Viewability-Problem der Online-Werbebranche

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Der globale Markt für die Display-Ads ist gewaltig. Zwar sollen sollen die Ausgaben für Digital Advertising laut einer Prognose von Magna Global in diesem Jahr bis zu 516 Milliarden US-Dollar betragen. Jedoch befinden sich die altbekannten Banner-Formate als originäre Display Ads auf einem klaren Sinkflug – mit definitiv negativen Wachstumswerten. Bewegtbild-Werbung hingegen gewinnt an Fahrt und zählt zu den klaren Siegern. Die Publisher verdienen gut an den hochpreisigen Video-Ads und die werbetreibenden Unternehmen können sich der Aufmerksamkeit sicher sein.

Die Branche hat verstanden, dass das Ende der Bannerwerbung naht. Viele Akteure spielen etwas unfair, was sich am Impression-Betrug mittels Bots und weitere automatisierte Mechanismen zeigt. Weitere technische Tools wie AdBlocker und das erlernte Nutzungsverhalten, mit dem inneren Auge die Werbebereiche einer Website auszublenden, sowie das steigende Nutzungsszenario über mobile Endgeräte, lässt das Damoklesschwert über dem Banner immer tiefer sinken.

Wachstumsraten der Werbemittel: Display Ads mit deutlichen Verlusten. Quelle: Magna Global / #DigiBuzz

Wachstumsraten der Werbemittel: Display Ads mit deutlichen Verlusten. Quelle: Magna Global / #DigiBuzz

Sogar im Fall der Bewegtbild-Werbung häufen sich die Probleme, denn auch Videospots werden oftmals über Display-Mechanismen in den Seiten integriert. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass Videospots innerhalb einer Content-Umgebung gerne automatisch und ohne Zutun des Nutzers abspielen – oftmals außerhalb des sichtbaren Bereiches der Webseite. Somit zeigt das hohe Interesse an der Vermarktung über Bewegtbild-Werbung eine durchaus herausfordernde Konstellation, dass sich die Digitale Wirtschaft wieder selbst aus dem Bannersumpf herauszieht.

Wann entfaltet eine Online-Werbemaßnahme aber seine Wertigkeit? Das bloße Abspielen eines Videospots sorgt nicht unbedingt dafür, dass der Rezipient sich mit dem jeweiligen Werbeinhalt ausreichend beschäftigt. Die Frage nach der Viewability spaltet aus nachvollziehbaren Gründen die digitale Branche.

Pierre Chappaz, CEO von Ebuzzing & Teads, fordert radikale Lösungen für das Viewability-Problem: „Die gesamte Branche hat ein gewaltiges Problem, wenn mehr als die Hälfte der Online-Werbung von Internetnutzern gar nicht erst gesehen wird. Werbetreibende bezahlen für Ad Impressions, aber bekommen keine Garantie dafür, dass sie für ihre Investition einen Gegenwert erhalten. Im schlimmsten Fall werden sie einfach abkassiert, ohne dass das gebuchte Werbemittel dem Nutzer jemals angezeigt wurde. So betrügt die Branche nicht nur die Werbekunden, sondern auch sich selbst.“

Verschiedene Initiativen aus den Verbänden der Werbebranche zeigen: Das Viewability-Problem reizt die Nerven. Das Interactive Advertising Bureau (IAB) hat bereits Kriterien für Bewegtbild-Werbung festgelegt, laut denen das Kriterium „viewable“ erst erfüllt ist, sobald die Hälfte des Videoplayers für mindestens zwei Sekunden im sichtbaren Bereich des Browserfensters liegt. Ein weitere Akteur auf der internationalen Bühne ist die internationale Brancheninitiative Open VideoView (OpenVV). Über Open Source Mechanismen möchte OpenVV sicherstellen, dass Bewegtbild-Werbung sichtbar ausgeliefert wird. Am deutschen Markt bemüht sich Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) mit einzelnen Gremien, Herr der Lage zu werden. Herausfordernd ist insbesondere auf dem nationalen Markt die Konstellation, dass sowohl der Online-Vermarkterkreis, der Fachkreis der Online-Mediaagenturen und technische Dienstleister versuchen, die Frage nach der Viewability von ihren unterschiedlichen Anfordernungen an den Markt her zu standardisieren.

Die Kritik seitens Pierre Chappaz trifft dabei ins Mark der Diskussion: „Wir sollten allerdings Lösungen entwickeln, um Online-Werbung nicht nur im theoretisch sichtbaren Bereich des Users anzuzeigen, sondern auch tatsächlich sicherstellen, dass die Nutzer sie sehen – und das freiwillig. Wenn sich die Branche im September auf der dmexco trifft, müssen wir über Viewability reden. Die Werbetechnologie der Zukunft kann das Problem technisch beheben und Online-Werbung auf ein neues, faires Niveau bringen.“

Die digitale Werbebranche muss klare Ergebnisse mit ihren Standards schaffen. Einerseits sollte Bewegtbild-Werbung von den Nutzern selbstbestimmt und aktiv angesehen werden, ohne die Reizschwelle der Nutzer durch aufdringliche PreRoll-Schaltungen und erzwungene Views zu überschreiten. Andererseits muss für die eigentliche Sichtbarkeit der Bewegtbild-Werbung an der generellen Platzierung innerhalb des redaktionellen Content-Umfeld geschraubt werden. Losgelöste Positionen in Overlays und Popunders sowie das automatische Abspielen helfen wenig, dass die Nutzer sich wieder für die Werbung interessieren – und damit die Ablehnung von Online-Werbung nicht noch stärker überwiegt.

Die Rate des Überspringens und der schnelle Wechsel der Browser-Tabs liegt bei Instream- und PreRoll-Werbung bereits sehr hoch, während sogenannte Outstream-Werbung innerhalb der redaktionellen Content-Umfelder ausgespielt werden. Die Forderung, dass Werbetreibende in solch einem Fall ausschließlich für ein vollständig betrachteten Werbespot zahlen sollen, dass also nach Cost per Completed View abgerechnet wird, besitzt wiederum einen faden Beigeschmack. Schließlich verliert die gesamte Wertschöpfungskette zwischen Rezipienten und Werbekunden einen Großteil der potenziellen Einnahmen, wenn das CpCV-Prinzip trotz gewisser Rabattstufen angewandt wird.

Bewegtbild-Werbung hat also viele Baustellen. Alle Forderungen und Diskussionsgrundlagen helfen jedoch kaum zu einer echten Lösung, wenn die werbetreibenden Unternehmen es bis heute kaum geschafft haben, neben ihrem TV-Spot eine echte digitale Bewegtbild-Kampagne zu kreieren. Solange ein 40-Sekünder immer noch bei vielen Webseiten teils ungefragt über den Bildschirm ohne die Möglichkeit zum Überspringen flackert, werden die Nutzer auch in Zukunft genervt den Browser-Tab wechseln.

Quelle: Ebuzzing & Teads

Quelle: Ebuzzing & Teads