Interview mit Stefan Mies (artegic AG): „Big Data ist endlich massentauglich geworden“

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Was wäre unsere Gesellschaft nur ohne die E-Mail? Seit 30 Jahren erfreut und belebt die E-Mail die Gemüter in Deutschland. Mal unerträglich und wiederum unverzichtbar kommen Nutzer und Unternehmen nicht mehr ohne Mails aus. Doch neben einzelnen Kritikern boomt das Geschäft mit den E-Mails unaufhörlich. E-Mails sind auf der technischen Ebene und aufgrund Big Data wesentlich intelligenter geworden, zugleich spielen hohe Datenschutzstandards in Deutschland und in der Europäischen Union eine gewichtige Rolle für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. #DigiBuzz – Das Magazin für das Digital Business unterhielt sich mit Stefan Mies, Senior Marketing Manager bei der artegic AG über die Entwicklung der Digitalbranche und der Potenziale für E-Mail-Marketing im Kontext zu Datenschutz, Netzpolitik und Big Data.

Herr Mies, warum sind aus Ihrer Sicht die kommenden zwei Jahre für die Digitale Wirtschaft entscheidend?

Stefan Mies: Die digitale Wirtschaft dringt mit ihren Produkten und Services mehr und mehr in alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche ein. Die Ausgereiftheit der Technologien, die lokale, nationale und globale Märkte in bisher nie dagewesenem Maße verändern, zeigt, dass die digitale Wirtschaft das Neuland längst verlassen hat. Die nächsten zwei Jahre werden zeigen, welche Unternehmen die digitale Landschaft von morgen prägen werden. Welche Angebote werden sich am Markt etablieren und welche werden verschwinden? Welche Unternehmen setzen zukünftig die Trends und Standards? Wo gibt es Kooperationen bzw. sind Kooperationen vielleicht sogar notwendig? Die deutsche Digitalwirtschaft steht dabei zunehmend im Wettbewerb mit globalen Anbietern, die sich Marktpotenziale auch durch Akquisitionen erschließen.

Eine der größten Chancen für deutsche Digitalunternehmen in den nächsten zwei Jahren könnte sich aus der Vereinheitlichung des Datenschutzes auf EU-Ebene ergeben. Hier hat die EU die Möglichkeit, zu beweisen, dass man über Grenzen hinweg Richtlinien setzen kann und vielleicht damit sogar einen globalen Standard schafft. Deutsche Unternehmen hätten hier einen klaren Wettbewerbsvorteil, da sie sich schon seit langem intensiver mit Datenschutz befassen. Im E-Mail Marketing beispielsweise zeigen innovative Produkte wie „E-Mail Made in Germany” oder Privacy Admission Control, dass Unternehmen sich konkret mit diesem Thema auseinandersetzen und Lösungen für Nutzer und Wirtschaft entwickeln.

Stefan Mies, Senior Marketing Manager, artegic AG. Quelle: artegic

Stefan Mies, Senior Marketing Manager, artegic AG. Quelle: artegic

Hat die Politik in Deutschland den Trend zum Digital Business verpasst? Wie kann Deutschland wieder auf Kurs gebracht werden?

Stefan Mies: Die Erkenntnis der Politik, dass die digitale Branche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, kommt aus meiner persönlichen Sicht etwas verspätet. In Deutschland hat sich bereits über Jahre hinweg eine große Digital-Industrie gebildet, mit einem erwarteten Umsatz von 120 Milliarden Euro im Jahr 2014 und ca. 500.000 Beschäftigten. Es gilt nun, die Kleinst- und Kleinunternehmen (Start-Ups) aber auch den bestehenden Mittelstand zielgerichtet zu fördern und auf den globalen Wettbewerb vorzubereiten. Mein Wunsch an die Politik ist, dass die digitale Agenda für alle Wirtschaftsbereiche ernst genommen wird. Dazu zählt eine klare Investitionsstrategie in den digitalen Wirtschaftsstandort Deutschland, wie auch die Beseitigung des Fachkräftemangels. Eine digitale Agenda mit konkreten, richtungsweisenden Maßnahmen könnte die deutsche digitale Wirtschaft auch global wieder auf Kurs bringen.

Wo bestehen die Chancen für deutsche und europäische Unternehmen aus der Datenschutzgrundverordnung, insbesondere für den internationalen Wettbewerb?

Stefan Mies: Die Infografik verdeutlicht, welchen unterschiedlichen Anforderungen im Bezug auf Datennutzung das digitale Dialogmarketing in unterschiedlichen Ländern gegenübersteht. Sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich unterscheiden sich die Anforderungen innerhalb der Länder der Union teils signifikant. Die europäische Datenschutzverordnung hilft Nutzerrechte transparenter zu machen und zugleich einheitliche Standards für die Wirtschaft zu schaffen. Im internationalen Wettbewerb bedeutet dies: Unternehmen aus anderen Kulturen müssen sich an „unsere” Rechtsvorgaben halten, was für die digitale Wirtschaft in der europäischen Union einen Wettbewerbsvorteil darstellen könnte, da nicht alle Wirtschaftsräume bereits ein so hohes Maß an Datenschutz pflegen wie wir Europäer. In mir blüht die Hoffnung, dass die europäische Datenschutzverordnung ein erster Schritt zu einem echten globalen Standard sein könnte.

Quelle: artegic AG

Quelle: artegic AG

Welche Löcher muss die Politik speziell für deutsche Unternehmen und Anbieter stopfen, um dem Marktwachstum und einer florierenden Wirtschaft nicht im Wege zu stehen?

Stefan Mies: Ich würde mir wünschen, dass die nationale und europäische Politik stärker zusammenarbeiten, um bürokratische Hürden für Unternehmen abzubauen, sich auf klare, verbindliche Datenschutzstandards zu einigen, eine gemeinsame Investitionsstrategie für die Förderung von Klein-, Kleinst- und Mittelstandsunternehmen zu entwickeln und gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Ein guter Anfang wäre zum Beispiel, eine übersichtliche Bündelung der verschiedenen nationalen und europäischen Förderprojekte für Fachkräfte und Digitalunternehmen, inklusive eines vereinheitlichten Verfahrens zur Beantragung von Fördermitteln. Kurz zusammengefasst: Anstatt neue Fördermethoden zu entwickeln, sollte man im ersten Schritt die Nutzung der bestehenden vereinfachen.

Welche Hürden sehen Sie für das Schaffen von Standards rund um die Nutzung von Kundendaten in Europa?

Stefan Mies: Ich sehe keine Hürden, sondern Meilensteine die erreicht werden müssen. Der nächste Meilenstein sind die anstehenden Trilogverhandlungen, bei denen hoffentlich schnell eine Einigung gefunden wird. Ich bin zuversichtlich, dass durch die Wahl des neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und seine Ankündigung, die Entwicklung des digitalen Binnenmarktes verstärkt zu fokussieren, in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 mehr Bewegung in die Verhandlungen kommen wird. Auch bin ich optimistisch, dass die Wirtschaft besser auf die europäische Datenschutzverordnung eingestellt ist, als durch die Politik manchmal der Anschein erweckt wird.

Ist der Begriff Big Data in der aktuellen Diskussion noch zeitgemäß?

Stefan Mies: Viele digitale Unternehmen nutzen bereits seit langem große Mengen an Daten, um beispielsweise Marketing Maßnahmen oder Prozesse zu optimieren. Big Data an sich ist daher eigentlich nichts neues. Neu ist, dass zum einen die technischen Barrieren für Datennutzung gesunken sind, andererseits die Aufmerksamkeit für das Thema gestiegen ist. Selbst digitale Nachzügler haben mittlerweile die Bedeutung von Big Data erkannt und sammeln fleißig Daten. Man könnte sagen, Big Data ist endlich massentauglich geworden. Die Diskussion bewegt sich jedoch seit einiger Zeit schon wieder weg vom Thema „Daten sammeln” hin zum Thema „Daten rechtssicher nutzen”. Aus Big Data wird Legal Big Data. Unternehmen müssen sich aktiv mit der Einholung rechtssicherer Zustimmungen zur Nutzung personenbezogener Daten auseinandersetzen, sowie mit der unveränderbaren Archivierung und Dokumentation dieser Zustimmungen nach zertifizierten, von der Justiz anerkannten, Standardverfahren.

Welche Themen stehen auf der dmexco im Fall von E-Mail-Marketing und natürlich bei Big Data im Fokus?

Stefan Mies: Ein Thema auf der dmexco wird die technologische Weiterentwicklung der E-Mail sein. Die nächsten großen Schritte werden hier vom W3C und den ISPs ausgehen. Wünschenswert wäre beispielsweise, die Standardisierung der Syntax voranzutreiben, um die E-Mail auf Maschinensprachentauglichkeit vorzubereiten. Für die „Anwender” von E-Mail Marketing, sprich Marketingtreibende Unternehmen, wird auf der dmexco insbesondere das Thema Marketing Engineering von Bedeutung sein: die konzeptionelle und technische Integration von Marketing und IT-Prozessen, um den notwendigen Wandel im E-Mail Marketing zu vollziehen. Von teilpersonalisierter One-Channel Kommunikation zu einem hochindividualisierten Cross-Channel Ansatz. Von Big Data zu Legal Big Data. Von manuellen Prozessen zu Marketing Automation. Von der Betrachtung einzelner KPI zur kanalübergreifenden Erfolgsmessung und einem echten Verständnis von Wirkungszusammenhängen.

Herr Mies, ich bedanke mich herzlich für das ausführliche Interview!

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