Potenzial ungenutzt: Spielwarenbranche ignoriert Digital Advertising

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Henning Ehlert. Geschäftsführer von JOM. Quelle: Unternehmen

Der Online-Vertriebskanal der Spielwarenhersteller konnte im vergangenen Jahr um rund 10 Prozent zulegen, dennoch bleiben die Online-Werbeaktivitäten weiterhin auf niedrigem Niveau. Sie nutzen die Chancen und das Potenzial der Online-Kommunikation für ihren Vertrieb nur unzureichend aus. Ein Großteil der Hersteller versäumte entsprechende Kampagnen in Digital Advertising und insbesondere Online Bewegtbild zu buchen. Damit bleibt die Branche ihrer klassischen Kommunikationsstrategie leider treu. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Agentur JOM, welche die Hersteller zu ihren Werbemaßnahmen befragte.

Bewegtbildwerbung für Spielwaren findet faktisch nicht statt

Die Mediaplaner und die TV-Sender Super RTL, NICKELODEON und Disney Channel dürfte diese Nachricht durchaus erfreuen, für YouTube und andere Online-Bewegtbildportale dürfte dies äußerst ernüchternd wirken. Erneut haben die Spielwarenhersteller rund 92 Prozent der Mediabudgets in das lineare TV investiert. Die Steigerung der TV-Reichweite erfordert an den Skalierungsgrenzen einen überproportionalen Budgeteinsatz. Trotz weiter steigender Bedeutung des Online-Kanals setzt die Mehrzahl der Spielzeugunternehmen weiterhin kaum Online-Werbung ein, obwohl viele der Spielzeug-Unternehmen sogar einen eigenen Online-Shop betreiben. Lediglich zwei Prozent flossen in die entsprechenden Online-Kanäle. Gerade Online-Bewegtbild kann für Marken einen ungeahnten Höhenflug verursagen, wie eine aktuelle Analyse von Google anhand der erfolgreichsten Viralspots von Markenunternehmen zeigt.

Das uniforme Vorgehen in der Mediaplanung seitens der Spielwarenbranche lässt es aber kaum zu, nur über das Medium TV ein Alleinstellungsmerkmal zu erreichen und damit die Sichtbarkeit gegenüber den Wettbewerbern zu erhöhen. Scheinbar haben die Spielwarenhersteller nicht verstanden, dass Kinder zunehmend selektiv im Internet ihre Lieblingsserien betrachten oder einzelne Videos eigenständig oder zusammen mit ihren Eltern ansehen.

Henning Ehlert. Geschäftsführer von JOM. Quelle: Unternehmen

Henning Ehlert. Geschäftsführer von JOM. Quelle: Unternehmen

„Bis auf wenige Ausnahmen sieht der Kommunikationsmix bei den meisten Herstellern sehr ähnlich aus und stößt an seine Grenzen. Gerade im linearen TV sind zusätzliche Investitionen meistens „unwirtschaftlich“ – mittlerweile schaut jedes zweite Kind ab 6 Jahren im Internet selektiv Filme, Videos oder Serien. Von daher ermöglicht das Internet den Spielwarenherstellern eine Differenzierung durch die Nutzung von gezielten Online-Werbemaßnahmen. Der zusätzliche Einsatz von Online-Bewegtbild bietet die Chance, die Käuferreichweite signifikant zu erhöhen und greift gleichzeitig die Emotionalität von Spielwaren auf“, erklärt JOM-Geschäftsführer Henning Ehlert.

Für die Spielwarenbranche ergeben sich definitiv neue Potenziale über non-lineare Online-Bewegtbildumfelder. Laut der Untersuchung von JOM könnte eine Kombination aus klassischer TV-Werbung und zusätzlichen oder umverteilten Spendings für Online-Bewegtbild ein deutliches Plus an Effizienz mit einer Steigerung der Käuferreichweite von bis zu 13 Prozent ergeben. Keiner der Spielwarenhersteller nutzt dieses Potenzial, um mit entsprechenden Werbemaßnahmen die Aufmerksamkeit des Kindes oder der Eltern auf sich zu lenken.

Henning Ehlert attestiert demzufolge der gesamten Spielwarenbranche einen extremen Nachholbedarf: „Mit der Belegung von Werbeanzeigen im Suchmaschinenmarketing könnte zudem das vorhandene Sales-Potenzial ausgenutzt bzw. kapitalisiert werden. Und wer immer noch nicht an das Potenzial glaubt, sollte bei YouTube mal nach „EvanTubeHD“ suchen. Dieser achtjährige Junge verdient mittlerweile über die Videoplattform Millionen mit Spielzeug-Reviews.“

Spielwarenhersteller haben Digital Advertising offenbar noch nicht verstanden

In der Betrachtung von bezahlten Suchanzeigen über Google zeigt bei relevanten Suchanfragen ein Großteil der Hersteller keine Präsenz. Lediglich 12 der 52 betrachteten Spielwarenhersteller nutzen die Möglichkeiten des Suchmaschinenmarketings (SEM). Produkte von LEGO und geobra Brandstätter (Playmobil) werden dabei auch 2014 wieder mit Abstand am häufigsten gesucht. Die Kunden suchen bei Spielzeug noch stärker als im Vorjahr gezielt nach Produkten und Marken. Die Hersteller sind damit gut beraten, ihre Produktwelten für mobile Endgeräte zu optimieren. Suchtraffic über das Smartphone konvertiert laut einer anderen Studie besser als am Desktop-PC oder Tablet.

Die Spielwarenhändler haben das gesamte Potenzial von Online-Werbung jedoch besser verstanden. Hier setzen mit 10 von 15 betrachteten Unternehmen der größere Teil auf SEM als Performance-Kanal. Kein Wunder, denn viele Händler haben die Mechanismen von Digital Commerce verstanden. Besonders der Händler myToys hat die SEM Aktivitäten von 2013 auf 2014 bei vielen spielzeugspezifischen Suchanfragen nahezu verdoppelt und ist laut der JOM-Studie neben Amazon und Galeria Kaufhof der aktivste Werbetreibende unter den Händlern.

Neben dem zurückhaltenden Einsatz von SEM-Werbemaßnahmen kommen nur wenige Spielwarenunternehmen auf den Gedanken, Online-Banner und weitere klassische Display Ads als Werbemöglichkeit zu entdecken. LEGO und Schmidt Spiele bildeten in 2014 die absolute Ausnahme. Noch im Jahr zuvor galt Ravensburger neben Lego als einer der Werbetreibenden mit der höchsten Präsenz. Der Untersuchung von JOM zufolge verzichtete das Unternehmen im Weihnachtsgeschäft 2014 nahezu vollständig auf Display Ads. Der Fachhandel erkennt ebenfalls keinen Bedarf für Online-Display-Maßnahmen. Nur JAKO-O erzielte eine hohe Präsenz mit mehr als 100 Millionen AdImpressions.

Immerhin gelang es den meisten Spielwarenherstellern über ihre Social-Media-Präsenz bei Facebook mehr Fans mit besonderen Weihnachtsaktionen und Gewinnspielen für sich zu gewinnen. Das Kommunikationspotenzial wird aber nicht voll ausgeschöpft und so bestehen derzeit die meisten Posts bei Facebook noch aus Bildern und Text. Gerade Videos wurden erst zum Ende 2014 langsam verstärkt eingesetzt. Hierbei ist besonders Fischertechnik hervorzuheben.